Deutlich ruhiger ist es eine Stunde zuvor auf dem Leipziger Markt. Leute zünden ein paar Wunderkerzen oder stehen an den verbleibenden Glühweinständen beisammen. Unter ihnen sind auch die Freunde Maheen, Sariyya, Shaan und Tushar. Die Vier sind über das Wochenende aus Bernburg angereist. „Das ist für uns die nächste große Stadt und hier ist viel los, deshalb kommen wir oft zu Silvester her“, erzählt Tushar. Das Feuerwerk interessiert sie jedoch weniger, die Gruppe möchte in einem Club ins neue Jahr feiern. „Feuerwerk ist am Himmel schön anzusehen, aber wenn es um einen herumfliegt, ist mir das zu viel“, sagt Shaan.
Das ist am Augustusplatz zu dieser Zeit bereits der Fall. Ein paar Hundert Menschen haben sich gegenüber der Oper eingefunden und zünden Raketen und Batterien, aber auch hier fliegen Böller durch die Luft, die deutlich lauter klingen, als die zertifizierte Ware aus dem Handel und deren Explosionen die Luft erzittern lassen.
Aus diesem Grund feiert Daniela mit ihrer Mutter Heidi und ihrem besten Freund Niklas auf dem Markt. „Wir wollten eigentlich in einen Club aber der war voll, deshalb geht es später noch in eine Bar“, sagt Heidi. Gegen Mitternacht wollen sie kurz das Feuerwerk am Augustusplatz ansehen, selbst haben die drei aber nichts gekauft. „Wir sind da eher dagegen“, erklärt Niklas. „Um 12 ist ok, aber mehr muss es nicht sein und wenn es dann zwischen die Füße fliegt, ist das nicht angenehm“, fügt Heidi hinzu.
Zurück auf die Eisenbahnstraße: Eine halbe Stunde vor Mitternacht ist es auf einmal ungewöhnlich ruhig. Nur noch wenige feiernde oder böllernde Menschen stehen auf den Gehwegen, stattdessen jetzt sehr präsent alle 50 Meter Polizei. Auf dem „Superblock“ in der Hildegardstraße, wo sich eben noch Leute mit Feuerwerk aller Art beworfen haben, lassen ein paar Kinder mit ihren Eltern Knallerbsen zerplatzen.
Die Ruhe ist von kurzer Dauer. Wenige Minuten vor Mitternacht ist die Straße voll und im Sekundentakt explodiert Pyrotechnik. Ein Mann hüllt die Straße mit Leuchtfackeln in Rauch und rotes Licht. Ein „Gesundes Neues“ wünscht hier um Mitternacht so ziemlich keiner, da alle damit beschäftigt sind, ihr Arsenal zwischen den Füßen der anderen zu zünden. Raketen fliegen gegen Hauswände, durch Straßenbahngleise und in Einfahrten. Zügig löscht die Polizei brennende Feuerwerksreste und wird in der Hildegardstraße für einige Minuten mit Knallern beworfen, setzt aber auf Ruhe und Deeskalation.
Ein Blick nach Connewitz. In den letzten Stunden des Jahres zieht es das Viertel allmählich in eine klare Richtung: das Kreuz. Bald stehen hier einige Hundert dicht an dicht.
Dumpfe Kanonenschläge. Raketen, die quer über die Straße fliegen. Und, nicht zu übersehen, ein großes Feuer genau in der Mitte. Nur wer nicht zimperlich ist, verbringt die Nacht jetzt hier. Und Polizei? Die schaut höchstens aus der Luft zu. Gegen Mitternacht kreist ein Hubschrauber über dem Viertel.
Bald brennen auch Mülltonnen. So ungestört – das ist ungewohnt. Und einige scheint das zu freuen. „No Cops, no problems“, schreibt die Linken-Politikerin Juliane Nagel auf X (vormals Twitter) und postet das Foto einer brennenden Straßenbarrikade. „Einfach schöner ohne Bullen im Viertel“, schreibt ein Anwohner.
Als das neue Jahr seinen Anfang nimmt, steht Nagel mit einigen anderen mitten am Kreuz und hält ein Banner hoch: „Radikal Links ins Neue Jahr“. Silvester, in Connewitz wird dieser Tag auch politisch verstanden. In Chatgruppen wird gefordert, sich „die Straßen zurück“ zu holen.
Das bleibt nicht unwidersprochen. Am Tag danach kritisiert Leipzigs CDU-Fraktionschef Michael Weickert deutlich: „Die Linke-Abgeordnete Nagel beweist einmal wieder, was sie von unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung hält: nix.“ Für Weickert ist klar: Angriffe auf Einsatz- und Rettungskräfte sind „asozial“ und müssen „verfolgt und bestraft“ werden. „Einige wenige hundert Krawallbereite nehmen im Connewitz einen ganzen Stadtteil in Geiselhaft. Dank an Polizei und Rettungskräfte für ihre Arbeit!“
Zumal die Feuer auf dem Connewitzer Kreuz nicht der einzige Zwischenfall in dieser Nacht bleiben. Das Polizeirevier an der Wiedebachpassage wird angegriffen. Mit Gegenständen beschädigen Unbekannte die Wache. Verletzt wird allerdings niemand.
Die Polizei reagiert im Lauf der Nacht dann doch – zumindest etwas. Es ist halb zwei, als mindestens zwei Wasserwerfer in Richtung Connewitz anrücken. Einer positioniert sich vor dem neuen Netto-Discounter in der Bornaischen Straße. Dazu kommen einige Dutzend Polizeiwagen. Und Einheiten – die zwar nicht unmittelbar eingreifen, aber offenbar Präsenz zeigen wollen. In der Stockartstraße, auf der Wolfgang-Heinze-Straße stehen Polizisten.
Die Zurückhaltung erklärt Polizeisprecher Olaf Hoppe später zur Einsatztaktik: „Wir haben sehr genau abgewogen, wie groß die Gefahren sind, die von den Feuern auf der Straße ausgehen und wären bereit einzuschreiten.“ Letztlich kommen die Wasserwerfer noch zum Einsatz – um die Flammen zu löschen.
Auch auf der Eisenbahnstraße vereinzeln sich die Massen schnell wieder. Gegen 1 Uhr sind kaum noch Explosionen zu vernehmen und auch die Beamten ziehen sich langsam zurück. Den Jahreswechsel haben auf dem Augustusplatz, wo durch Feuerwerk mehrere Menschen und auch Kinder verletzt wurden, und in Connewitz jeweils etwa 3000 Menschen gefeiert. Polizeisprecher Hoppe fasst den Einsatz in den Schwerpunktgebieten als silvestertypisch zusammen. „Es war weniger los als letztes Jahr.“
Leipzig – Wie auch schon in den vergangenen Jahren wurde Silvester auf Leipzigs Straßen ausufernd zelebriert. Besonders in Connewitz und der Eisenbahnstraße hatte die Polizei alle Hände voll zu tun.
Wie Polizeisprecher Olaf Hoppe noch in der Nacht mitteilte, wurden für den Einsatz zum Jahreswechsel Kräfte aus Thüringen sowie der Bundespolizei hinzugezogen. So wurden geschlossene Einheiten im Zentrum, Süden und Osten der Stadt stationiert – den jährlichen Silvester-„Brennpunkten“.
So richtig ging es für die Einsatzkräfte ab 21.25 Uhr los, als eine Schlägerei zwischen mehreren Personen vor der Leipziger Oper für Aufsehen sorgte. Ein Mann musste in die Notaufnahme gebracht werden, es wird entsprechend wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Auf dem Augustusplatz wurden zudem mehrere Menschen durch Böllerwürfe verletzt – darunter Kinder im Alter von sechs und zehn Jahren. Dazu kam die Augenverletzung eines 11-jährigen Kindes sowie ein bewusstloser 25-Jähriger, der zuvor von Pyro im Gesicht getroffen worden war.
Vor allem aber auch im Gebiet auf der und um die Eisenbahnstraße war die Polizei quasi im Dauereinsatz: Ein Einkaufsmarkt in der Konradstraße wurde mit Pyrotechnik beworfen, zudem wurden Mülltonnen und Einkaufswagen auf die Fahrbahn geschoben, um den Einsatzkräften das Durchkommen zu erschweren.
Nachdem ein Mann in der Hildegardstraße direkt vor einem Polizeiwagen Pyrotechnik gezündet hatte, wurde er aufgegriffen. „Er führte mehrere Knallkörper ohne CE-Kennzeichnung bei sich“, so Hoppe. Die Beamten sollen zudem mit Pyro beworfen worden sein.
Alle Jahre wieder: Silvester-Aufregung am Connewitzer Kreuz
Die wohl dynamischste Situation entfaltete sich rund ums Connewitzer Kreuz im Leipziger Süden: Schon vor Mitternacht räumten die Feiernden diverse Gegenstände auf die Straßen – Müllbehälter, Baustellenabsperrungen, Einkaufswägen – und setzten diese in Brand. „Teilweise räumten Anwohner die Tonnen zurück“, so Hoppe.
Nachdem das Hauptfeuerwerk gezündet worden war, ging es gegen 0.30 Uhr aber erst so richtig los.
Unbekannte attackierten das Polizeirevier in der Wiedebachpassage, wobei ein noch nicht benannter Sachschaden entstand. Fast zeitgleich traf es zudem den Netto in der Bornaischen Straße.
Zudem kletterten mehrere Personen auf das Dach des REWE-Marktes am Kreuz, wo sie rund eine Stunde lang sitzen blieben, bis die Polizei sie zum Verlassen aufforderte.
Aufgrund der vielen kleinen Brände im Stadtteil rückten neben dem Polizeihubschrauber, der die Lage überwachte, zwei Wasserwerfer-Staffeln an, die ab 1.30 Uhr löschend durch die Straßen fuhren.
Erst nach Beginn der Reinigungsarbeiten gegen 2 Uhr beruhigte sich die Lage am Kreuz langsam
Polizeieinsätze auch in den Landkreisen
In der Straße des 18. Oktober wurde eine Packstation gesprengt, in Markkleeberg und Wurzen jeweils ein Zigarettenautomat.
Nach Angaben von Hoppe wurden in der Nacht im gesamten Stadtgebiet mehr als 20 Straftaten registriert, dabei ging es vor allem um gefährliche Körperverletzungen und Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz. In Grünau wurden zwei Beamtinnen durch Böllerwürfe verletzt, blieben laut Hoppe aber dienstfähig.
Auch in den umliegenden Landkreisen hatte die Polizei einiges zu tun: So wurden mehrere Personen mit illegalen Böllern und Pyrotechnik erwischt.
Besonders in Kitzscher erwies sich die Lage aufgrund der großen Menschenmassen als unübersichtlich, sodass das eigentlich geltende Pyrotechnikverbot nicht durchgesetzt werden konnte.
Nachdem dort eine Hundertschaft Präsenz gezeigt hatte, beruhigte sich auch hier die Situation gegen 2 Uhr.
Originalmeldung vom 1. Januar, 8.49 Uhr; aktualisiert um 10.45 Uhr
BILD 01.01.2024 – 03:11 Uhr
Polizei greift in Leipzig durch – Wasserwerfer löscht Feuer-Barrikaden – Attacke auf Polizeistation in Leipzig
Leipzig – Silvester-Angriff auf die Polizei in Leipzig! Kurz nach Mitternacht haben unbekannte Täter eine Polizeistation im links geprägten Szeneviertel Connewitz attackiert.
Polizeisprecher Olaf Hoppe: „Es flogen Steine gegen die Scheiben. Noch ist unklar, wie hoch der Schaden ist.“
Mit Wasserwerfer! Polizei räumt Connewitzer Kreuz
Um 1.40 Uhr hatte die Polizei genug! Ein Wasserwerfer rollte auf das Connewitzer Kreuz, löschte die aufgebauten brennenden Barrikaden.
„Per Lautsprecher wurde die Versammlung aufgelöst. Das Kreuz ist jetzt frei“, sagte ein Polizeisprecher.
Während die Polizisten im vollen Schutz die Kreuzung beräumten, wurden sie mit Böllern beworfen. Vereinzelt knallten Raketen gegen die Schilde der Beamten.
Nun sichert die Polizei auch die Lage in den anliegenden Straßen, in die sich die Randalierer zurückgezogen haben. Noch ist unklar, ob es im Leipziger Süden Verletzte gab. Sicher jedoch: Am Augustusplatz wurde ein Kind durch Pyrotechnik verletzt.
Knapp 3000 Menschen hatten sich versammelt
Schon in den letzten Jahren war die Wache an der Wiedebachpassage immer wieder Ziel von Anschlägen geworden. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen jedoch niemand.
Nur etwa zweihundert Meter entfernt hatten sich am Connewitzer Kreuz in der Silvesternacht knapp 3000 Leute versammelt. Feuer brannten auf den Straßen, vereinzelt flogen Flaschen.
Die Polizei hielt sich jedoch zurück, wollte keine Eskalation heraufbeschwören.
Von: KOLJA GÄRTNER, MARKUS LANGNER UND THORSTEN PAULY 01.01.2024 – 13:47 Uhr
Silvester-Randale! Hier krachte es in Deutschland – Randalierer attackieren Polizeiwache
Leipzig – Silvester-Angriff auf die Polizei in Sachsen! Kurz nach Mitternacht haben unbekannte Täter eine Polizeistation im links geprägten Szeneviertel Connewitz in Leipzig attackiert.
Alles begann an einem Supermarkt. Eine kleine Gruppe attackierte das Gebäude, dann wurden Einkaufswagen und Müllcontainer auf die Straße geschoben und angezündet. Dann zog der wütende Mob wenige Meter weiter zur Wiedebachpassage und griff dort das Polizeirevier an. Sprecher Olaf Hoppe: „Es flogen Steine gegen die Scheiben. Sie verursachten Sachschaden in noch unbekannter Höhe.“
Um 1.40 Uhr hatte die Polizei genug! Zwei Wasserwerfer rollten auf das Connewitzer Kreuz, löschten die brennenden Barrikaden. Auch ein Polizeihubschrauber kreiste über dem Areal.
„Per Lautsprecher wurde die Versammlung aufgelöst. Das Kreuz ist jetzt frei“, sagte ein Polizeisprecher. Während die Polizisten im vollen Schutz die Kreuzung räumten, wurden sie mit Böllern beworfen. Vereinzelt knallten Raketen gegen die Schilde der Beamten. Die Polizei schätzte die Anzahl der Personen vor Ort auf insgesamt etwa 3000.
Noch ist unklar, ob es im Leipziger Süden Verletzte gab. Sicher ist jedoch: Am Augustusplatz wurden drei Kinder im Alter von 6, 9 und 12 Jahren verletzt. Das 12-jährige Kind wurde mit einer Augenverletzung in Krankenhaus gebracht.
Randale in Duisburg schon vor 0 Uhr
In Duisburg ging die Randale schon weit vor Mitternacht los. Gegen 21 Uhr meldete die Polizei auf X (früher Twitter), dass die Straßenbahn im Stadtteil Hochfeld mit Böllern angegriffen wurde, mahnte: „Unterlassen Sie das Beschießen von Straßenbahnen und Bussen. Wir schreiten konsequent gegen solche Straftaten ein.“
Selbst zum Ziel von Silvester-Angriffen wurde die Polizei in den Brennpunkt-Stadtteilen Marxloh und Hochheide. Besonders übel: Auch Rettungskräfte gerieten ins Visier der Gewalttäter. Und da war das neue Jahr noch keine halbe Stunde alt. Die Polizei um 0.27 Uhr: „Wir schreiten konsequent ein, wenn Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten mit Feuerwerkskörpern angegriffen werden.“
Unter den festgenommenen Angreifern war auch ein 14-Jähriger. Um 1 Uhr postete die Polizei, dass er „jetzt von den Erziehungsberechtigten von der Wache abgeholt werden“ kann.
Polizei mit Knüppel gegen Chaoten in Solingen
Mit Helmen, Schilden und Knüppeln musste die Polizei in Solingen der Feuerwehr den Zugang zum Wohngebiet an der Hasselstraße ermöglichen. Dort hatten unbekannte Barrikaden errichtet und angezündet. Sie beschossen die Einsatzkräfte mit Feuerwerk, warfen aber auch Steine.
Ein Polizeisprecher: „Eintreffende Einsatzkräfte wurden unmittelbar aus der Dunkelheit mit Raketen und Böllern beschossen und beworfen. Bei den Straftätern handelte sich um ca. 30 bis 40 Personen im Alter zwischen 20 bis 30 Jahren … Zudem wurde Pyrotechnik auf Balkone verschiedener Häuser geworfen.“ Sogar Schüsse fielen: „Etwa gegen 01.35 Uhr verschanzten sich Unbekannte hinter einer Art Barrikade aus Müllcontainern/Mülltonnen, die sie mit Benzin in Brand setzten. Laut Zeugenaussagen soll aus der Gruppe heraus auch mit PTB-Waffen geschossen worden sein.“
Die Beamten vor Ort mussten Verstärkung aus umliegenden Städten anfordern. Erst in den Morgenstunden gelang es einer Hundertschaft, alle Straßen unter Kontrolle zu bekommen. Die Suche nach den Tätern dauerte noch länger an. Auch Hunde kamen dabei zum Einsatz. Hausdurchsuchungen wurden von der Einsatzleitung zumindest erwogen.
Insgesamt wurden in Nordrhein-Westfalen an Silvester 21 Polizisten verletzt. Es gab 46 Anzeigen wegen Widerstandes und 48 wegen tätlicher Angriffe gegen polizeiliche Einsatzkräfte. 154 Personen kamen in Gewahrsam.
Mob griff Polizisten mit Böllern an
Auf der zentralen Konstablerwache in Frankfurt am Main musste die Polizei gegen einen mehrere Hundert Personen großen Mob vorgehen. Aus ihm heraus wurden Beamte und Passanten immer wieder mit Pyrotechnik angegriffen.
Kurz nach Mitternacht stürmte eine Hundertschaft den Platz. Die meist jungen Randalierer rannten davon, 15 wurden von Polizisten gefasst.
Über 20 FestnahmenHundertschaft stoppt Randalierer in Frankfurt
Ganz dumm lief es für zwei Männer, die einen Kumpel vom 1. Revier abholen wollten. Er war wegen eines Böller-Angriffs auf ein Polizeifahrzeug festgenommen worden. Als seine Freunde auf der Wache erschienen, erkannten Beamte sie als Mittäter der Attacke …